Pro. Dr. R. Wischnath

Heute Morgen möchte ich mit Ihnen nur einen Vers aus dem Neuen Testament bedenken. Es lautet

Jesus Christus spricht: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Dieses Wort ist nach dem Evangelisten Matthäus das letzte Wort des von den Toten auferstandenen Jesus Christus an seine Jünger. Es wird uns zum Ende eines bösen Jahres gesagt. Ich muss da ja jetzt nicht alles Widerwärtige aufzählen. Am zweiten Weihnachtstag wurde im ZDF eine Rückblende auf das Jahr 2023 gezeigt. Es kam mir vor wie eine DIA-Positiv-Schau mit einem hektischen Bild nach dem Anderen. Irgendwie habe ich vor allem nur die Elendsbilder gesehen.

Sie haben sich in meiner Seele festgesetzt. Und ich habe danach schlecht - sehr schlecht - geschlafen. Und der nächste Sonnentag konnte das Finstere auch nicht aus der Seele vertreiben. Exemplarisch sind da die Bilder der Kriege aus der Ukraine und dem GAZA-Streifen. Wir wissen wohl alle, wie abgrundtief böse dieser Krieg angezettelt worden und nun geführt werden. Die Tausende von Toten auf der einen wie der anderen Seite lassen sich gar nicht mehr. Das habe ich nun notwendigerweise gesagt. Und darüber möchte ich jetzt kein weiteres Wort sagen. 

Wir wollen nun auch darauf achten, dass wir hier in Berlin wieder ein unglaublich schönes und reiches Jahr hinter uns haben. Schon allein dadurch, dass wohl Jede und Jeder von uns zwölf Monate und 365 Tage hindurch reichlich zu essen hatte, was achthundert-Millionen Menschen auf unserer Erde im globalen Süden nicht haben. Von diesen 8 mit sechs Nullen sterben täglich – nach Feststellungen von UNICEF – 24.000. 24.000! So werden wir täglich gefragt, ob wir nicht nur ein Drittel unserer Lebensmittel wegschmeißen, sondern der Hungernden eingedenk sind. 

Aber nun das geistliche Wort. Es ist nach dem Evangelisten Matthäus das letzte Wort Jesu auf dem Berg der Bergpredigt und der Himmelfahrt und Jesus den Satz: „Ich bin bei euch.“ „Ich bin bei euch“ - das ist im Mund des Auferstandenen die Zusage der gnädigen Gegenwart Gottes in Christus - in seiner Gnade und Treue. Es ist gleichsam Gottes Währung. Er selbst ist es in seiner ewigen Bewährung und Bewahrung: 

„Ich bin bei euch“ - stärkstes Wort des Trostes, das in menschlicher Sprache ausgesprochen und einander zugesprochen werden kann, ein Wort, das die Angst vertreibt, ein Wort, unter dem schon und gerade auch Kinder die Sprache der Hoffnung lernen: „Ich bin doch da, ich bin bei Euch.“ Nichts kann und wird uns mehr von Gott, der in Jesus von Nazareth einen menschlichen Lebensweg mit uns teilt, trennen, keine äußerste Fremde, nicht Schuld und Schulden, nicht einmal „der Sünde Sold“, der Tod. 

Machen wir uns klar, dass bei dem Wort 'Ich bin bei euch‘ der jüdische Hörer in diesem Wort die innige Verheißung des alten Namens Gottes hört. Diesen Namen sprechen Jüdinnen und Juden im Respekt vor der Unfasslichkeit des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht aus, obwohl sie wissen, dass sie täglich aus der Kraft dieses Namens leben. „Ich bin bei euch“ oder „ich bin doch da“ - das ist die deutsche Übersetzung des Gottesnamens. Der Name Gottes verbindet sich hier mit dem Namen des Auferstandenen, der sein Volk und auch uns errettet von allen seinen Sünden. Und steht der Gottesname schon in der Thora, dem göttlichen Gesetz Israels, für die Menschlichkeit, die das Recht nicht beugt und den Schuldigen und Schwachen nicht von dem Starken unterdrücken lässt, so wird diese Hoffnung im Wort Jesu aufgenommen und bestätigt und zugleich in ein neues Licht gerückt für die Völkerwelt und alle Zeit. 

Ich weise darauf hin, dass das Versprechen des auferstandenen Christus im Deutschen einen doppelten Sinn hat. Es kann nämlich heißen: Ich bin bei Euch … bis an das Ende der Welt. So hat es eine örtliche Bedeutung. Es hat es eine örtliche, grenzenlose Bedeutung: Ich bin überall bei Euch.

Und dann hat es die zeitliche Bedeutung: … aller Tage bis an der Welt Ende, nämlich bis zum Ende aller Zeiten. Ihr werdet bis dahin keinen Augenblick allein, ohne mich sein.

Mit diesem Versprechen „Ich bin bei Euch“ machen wir uns auf den Weg in ein neues Jahr 2024. Es gibt uns die Kraft zu trösten, zu ermutigen, nicht aufzugeben. Dieses Versprechen des Auferstandenen lässt uns unser schönes und gefährdetes Leben gestalten und ertragen, zuversichtlich angehen und dankbar wahrnehmen. Es bringt Menschen in die Gemeinschaft des Gottvertrauens und der von ihm gegebenen Verantwortung für das Leben und seine geliebte Welt zusammen. In diesem Sinn ist die Kirche und in ihr jede christliche Gemeinde wie diese Gemeinde im Französischen Dom eine Zusammenbringung von Menschen. Sie werden das in Ihrer evangelischen Gemeinde wieder erfahren: die Wahrheit Gottes in diesem großen Versprechen, die Ermutigung zum Leben und einer getrosten und zuversichtlichen Wahrnehmung unserer menschlichen Verantwortung füreinander und für die Welt.

Ein Jahr ist in dieser Nacht zum Ende gebracht worden, - ein für viele Menschen unvorstellbar bitteres. Ein neues beginnt. Wird es besser als das 2023? Unter dem Versprechen „Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ erschlagen uns die bitteren Tage nicht. Darum dürfen wir uns bei allen Sorgen dennoch freuen auf das neue Jahr. Es wird ein Jahr der treuen Gegenwart des Christus Gottes sein.

Und nun hören Sie noch mein Neujahrswunsch – besonders für Sie hier im Französischen Dom zu Berlin: 

Seien Sie im Neuen Jahr 2024 gut (auch) zu sich selber, zu Ihnen selber!

Und achten Sie darauf, wie oft und wie beständig Gott in Ihrem Leben das Versprechen seiner Treue und Bewahrung hält! Er tut das mit jedem Butterbrot. 

Für jede Einzelne von Ihnen, und für jeden Einzelnen gilt das Versprechen „Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Der Gott in Christus wird es bei allen Sorgen, die wir haben, so machen, ja über den Tod hinaus wird er es halten und bewähren. Darum seien Sie bei Trost, - bleiben Sie bei Trost. 

Amen.