Pfr. Dr. Karl Friedrich Ulrichs

Montag gehe ich wieder in die Schule, freut sich meine Zehnjährige. Wechselunterricht hin oder her. Und ich wähle mich wieder in die digitalen Vorlesungen ein, sagt die, deren zweites Semester beginnt. Ich gehe einmal wieder ins Büro. Business as usual, kaum sind die freien österlichen Tage vorbei und Ostern mit seiner atemberaubenden Botschaft schon wieder passé. Alles geht wieder seinen Gang. Enthusiasmus sieht anders aus, klingt anders, fühlt sich anders an. Auf allem liegt so ein „muss-ja“-Mehltau. Auch wegen … ach, ich sage es nicht.

„Ich gehe fischen“, sagt er. Es klingt etwas gebremst, nicht nach Neuanfang im Alltag. Was soll ich schon sonst machen? Außerdem: Irgendwie müssen wir uns versorgen. Muss ja weitergehen. Für´s Grübeln war er ja auch nicht bekannt, mehr für´s Machen. Also: „Ich gehe fischen“, sagt er in die Runde. Gute Idee, denkt Nathanael. Da komme ich einmal auf andere Gedanken, sagt sich Thomas. Muss ja weitergehen, finden die Brüder. Warum nicht das machen, was wir können und was wir vorher gemacht haben? „Wir kommen mit!“ rufen sie, froh über den Vorschlag. Business as usual, kaum sind die freien österlichen Tage vorbei und Ostern mit seiner atemberaubenden Botschaft schon wieder passé. Besser, alles geht wieder seinen Gang. Insgeheim sind sie wohl auch deshalb weg aus der Stadt und wieder nach Hause an den See gegangen. Andreas, der Bruder von Simon Petrus, wollte nicht mit, der blieb – Gott, war der durch den Wind! War wohl doch ein bisschen viel: Dieser Jubel, als sie mit Jesus in die Stadt kamen, wie sich dann aber die Konflikte zuspitzten und Jesus immer düsterer sprach, das enge Miteinander in der Gruppe, und die üble Sache mit Judas, dann der kurze Prozess. Sie konnten sich noch so eben retten. Und dann das leere Grab, wie Petrus und der, den Jesus besonders mochte, da hingerannt waren, als diese etwas überkandidelte Maria zu ihnen kam. Und wie Jesus dann zweimal bei ihnen auftauchte. Aus dem Tod sei er auferstanden und werde jetzt zu Gott gehen. Dass er es wirklich war, merkten sie daran, wie er redete. Und an seinen Wunden. Obwohl das schwer zu glauben war – nicht nur für Thomas. War wohl doch ein bisschen viel.

1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so:

2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sprechen zu ihm: Wir kommen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.

„Ich gehe fischen.“ „Na gut, dann gehen wir mit.“ Das ist auch ein Wortwechsel großer Tristesse und Einfallslosigkeit. Und das am Ende eines großen Evangeliums! Das nach Tagen, in denen ihr Leben merkwürdig stillstand! Das nach Monaten, in denen unser Leben merkwürdig stillstand, auch das Leben in der Kirche! Wenn du fragst, wie es jetzt weitergehen kann, anders und leichter, weniger karg, sondern segensreicher, und wenn du nicht so recht weiterweißt, dann machst du eben wenigstens das, was du kennst, was du kannst. Und Boot und Netz – das ist deins, oder Büro und Schule und Bildschirm. Und das ist ja auch nicht schlecht. Aber ist es auch gut? Fangen kannst du so nichts, deine Netze bleiben leer.

4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.

Und dann ist ein neuer Morgen, an dem die Sonne über deiner Ratlosigkeit aufgeht. Und du hörst die Frage, die deine Traurigkeit und dein Scheitern, deine Aussichtslosigkeit aufdeckt: „Habt ihr nichts zu essen?“ Nein, „ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr“. Und weil du verzweifelt bist, erkennst du den noch nicht, der deinem Leben auf die Sprünge helfen wird. Wenn schon der alte Fahrensmann und Gefährte Simon Petrus ihn nicht erkennt, wie sollen wir Glaubensausprobierer das? Und nur weil du verzweifelt bist, tust du, was er sagt. Obwohl es ein merkwürdiger Rat ist, nicht eben von professionellem Fischersachverstand getrübt. Du wunderst dich über dich selbst – und wunderst dich dann kaum noch darüber, wie dir geschieht. Belohnt wirst du für den Mut der Verzweiflung, dem ein Quäntchen Vertrauen beigemengt ist. Aber das merkst du erst hinterher.

7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte: »Es ist der Herr«, da gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich in den See. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.

Ist ja klar, dass derjenige, der auch als erster am Grab war, wieder der erste ist. Auf solche geistlich flinken Leute soll man hören – Petrus tut das und entkommt doch nicht dem Unsinn: statt in Unterwäsche oder nackt ins Wasser zu springen, zieht er sich ordentlich an. Als schämte er sich. Ihm war ja auf diesem See auch schon einmal dieser Kleinglauben unterlaufen, als er übers Wasser zu Jesus laufen wollte. Wie die Sorge dann doch das vertrauen gefressen hat und er versank. Mit dem Obergewand. Wer nicht übers Wasser gehen kann, sollte besser schwimmen. Hauptsache, du gelangst zu dem, von dem dir gesagt ist: „Es ist der Herr!“

 

9 Als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg herauf und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.

Mein Gott, fährt es Petrus ins Herz, ein Kohlenfeuer! An dem saß er vor Tagen – und leugnete, Jesus zu kennen. Er hätte danach in den Boden versinken wollen oder ins Wasser. Ein anderer hat den Strick genommen. Nun steht er wieder an einem Kohlenfeuer, kann künftig wieder an Kohlenfeuern stehen, weil hier am See nicht er in seiner Treulosigkeit gegrillt wird, sondern Fisch und Brot, und aus dem Leugner wird der Gast. Fisch und Brot liegen schon da – ist also gar nicht nötig, was er eben gefangen hat? Das denken wir ja oft, kaum haben wir die Nacht hinter uns: Ach, es ist unnötig, was ich zu bringen habe! Aber vor Jesus ist nichts vergeblich, keine nächtliche Arbeit und dein Fang und dein Fündlein auch nicht. Und jetzt siehst du, wieviel es ist. Zähle einmal, du wirst es nicht glauben: 153! Und alles große Fische! Simon hat es später oft erzählt und einer aus der Gemeinde, der ziemlich gut im Rechnen war, kam darauf, dass jede Ziffer hoch drei wieder diese Summe ergibt: 1+125+27. Das gibt es doch nicht! Mit der Zahl drei versuchten sie ja auch, ihn, den Uralten und Himmelhohen, besser zu verstehen als Vater und Sohn und Heiligen Geist.

12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten: Es ist der Herr. 13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch den Fisch.

Es darf auch sein, dass wir ihn nicht ansprechen, dass wir unsere Begegnung mit dem Auferstandenen noch im Unklaren lassen, um sie nicht zu zerstören, wie wir das vom Déjà-vu kennen: Jetzt bloß nichts sagen, sonst ist dieses Gefühl weg! Wichtiger ist, dass wir die Geschichte später anderen weitersagen: dass Jesus Brot gibt und mit dem Brot sich selbst.

14 Das ist nun das dritte Mal, dass sich Jesus den Jüngern offenbarte, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Ostern ist mit Montag nicht vorbei. Ostern geht weiter. Jesus sieht uns, gerade wenn wir Vergeblichkeit erfahren, er bereitet uns einen Tisch im Angesicht unserer Zweifel und des nachösterlichen Blues. Gehen wir also fischen.

Amen.

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